Missbrauchsgutachten belastet Ex-Papst Benedikts XVI
Eine Münchner Anwaltskanzlei hat Fälle sexuellen Missbrauchs im Erzbistum München und Freising aufgearbeitet - und erhebt Vorwürfe gegen den emeritierten Papst Benedikt XVI.
Der emeritierte Papst Benedikt XVI 2014 im Vatikan. Foto: Andrew Medichini/AP/dpa
Mindestens 497 Opfer im Erzbistum München
München (dpa) - Ein Gutachten lastet dem emeritierten Papst Benedikt XVI. Fehlverhalten im Umgang mit vier Fällen von sexuellem Missbrauch während seiner Zeit als Erzbischof des Bistums München und Freising an.
Das sagte der Jurist Martin Pusch am Donnerstag bei der Vorstellung des vom Erzbistum in Auftrag gegebenen Gutachtens in München. In allen Fällen habe Benedikt - damals Kardinal Joseph Ratzinger - ein Fehlverhalten strikt zurückgewiesen.
Der emeritierte Papst war von 1977 bis 1982 Erzbischof von München und Freising. Er habe umfangreich Stellung zu den Vorwürfen genommen, betonte Pusch. Dies sei im Wortlaut Teil des Gutachtens enthalten.
Kritiker werfen Ratzinger schon seit geraumer Zeit Fehlverhalten vor - konkret beim Umgang mit einem Priester aus Nordrhein-Westfalen. Der Mann soll vielfach Jungen missbraucht haben und wurde zur Amtszeit Ratzingers aus NRW nach Bayern versetzt, wo er rechtskräftig wegen Kindesmissbrauchs verurteilt wurde und immer wieder rückfällig geworden sein soll.
Allein dieser Fall macht 370 Seiten des insgesamt mehr als 1700 Seiten starken, vom heutigen Erzbischof Kardinal Reinhard Marx in Auftrag gegebenen Gutachtens aus. Marx selbst halten die Anwälte Fehlverhalten im Umgang mit zwei Verdachtsfällen von sexuellem Missbrauch vor. Es gehe dabei um Meldungen an die Glaubenskongregation in Rom. Marx war bei der Vorstellung nicht anwesend.
- Anzeige -Jetzt den 95.5 Charivari Newsletter abonnieren und keine Aktionen mehr verpassen >>>
Vorwürfe auch gegen Ratzingers Nachfolger
Auch Ratzingers direktem Nachfolger als Münchner Erzbischof, Kardinal Friedrich Wetter, wirft das Gutachten, das den Zeitraum zwischen 1945 und 2019 untersucht hat, Fehlverhalten in 21 Fällen vor. Wetter habe die Fälle zwar nicht bestritten, ein Fehlverhalten seinerseits aber schon, sagte Pusch. Sein Kollege, der Anwalt Ulrich Wastl, sprach von einer «Bilanz des Schreckens».
Die Studie listet mindestens 497 Opfer auf. Dabei handele es sich überwiegend um männliche Kinder und Jugendliche, die in den Jahrzehnten des Untersuchungszeitraums zu Opfern wurden, teilte die Kanzlei mit. Mindestens 235 mutmaßliche Täter gab es laut der Studie - darunter 173 Priester und 9 Diakone. Allerdings sei dies nur das sogenannte Hellfeld. Es sei von einer deutlich größeren Dunkelziffer auszugehen.
- Anzeige -Gutachten: Hat kein «Paradigmenwechsel» stattgefunden
Das Gutachten kommt auch zu dem Schluss, dass viele Priester und Diakone auch nach Bekanntwerden entsprechender Vorwürfe weiter eingesetzt worden seien. 40 Kleriker seien ungeachtet dessen wieder in der Seelsorge tätig gewesen beziehungsweise dies sei geduldet worden. Bei 18 davon erfolgte dies sogar nach «einschlägiger Verurteilung», wie Rechtsanwalt Martin Pusch sagte. Insgesamt seien bei 43 Klerikern «gebotene Maßnahmen mit Sanktionscharakter» unterblieben.
Das neue Gutachten stellt der katholischen Diözese ein schlechtes Zeugnis aus. Auch in jüngster Zeit habe kein «Paradigmenwechsel» mit dem Fokus auf die Betroffenen stattgefunden, sagte Pusch. «Bis in die jüngste Vergangenheit und teils auch heute noch begegnen Geschädigte Hürden.» Ein aktives Zugehen auf die Opfer gebe es nicht. Pusch sieht ein «generelles Geheimhaltungsinteresse» und den «Wunsch, die Institution Kirche zu schützen».
Mehr Themen und Nachrichten aus Deutschland Welt
Lauterbach: So lange muss man bei einer Affenpocken-Infektion in Quarantäne
Die Fallzahlen von Affenpocken werden in Deutschland steigen. Gesundheitsminister Lauterbach hat jetzt eine Empfehlung zur Isolationszeit abgegeben.
9-Euro-Ticket, Sprit-Steuer, Mindestlohn: Das ändert sich im Juni für alle
Der Juni steht kurz vor der Tür. Es ist also Zeit, schon mal einen Blick auf die Neuerungen zu werfen, die uns im kommenden Monat erwarten.
Für alle Mitglieder: ADAC startet bundesweite Fahrrad-Pannenhilfe
Ab Juni gibt es vom ADAC etwas Neues für Mitglieder: Eine kostenlose Fahrrad-Pannenhilfe. Alle Infos dazu findest du hier.
Wie gefährlich sind Affenpocken wirklich? Alle wichtigen Fragen und Antworten
Die Pocken zählten zu den gefährlichsten Krankheiten für Menschen. Vakzine brachten die Rettung. Ein verwandter, aber harmloserer Erreger sorgt nun für eine ungewöhnliche Infektionshäufung. Was bedeutet das?
Wie kann ich das 9-Euro-Ticket nutzen? Die wichtigsten Fragen und Antworten
Es ist ein großer Feldversuch, wie es Bundesverkehrsminister Volker Wissing nennt. Sorgen günstigere Tickets für einen Ansturm auf Busse und Bahnen?
Abstimmung im Bundesrat: Finale Entscheidung zum 9-Euro-Ticket ist gefallen
Das Neun-Euro-Ticket in Deutschland kommt! Der Bundesrat hat dem Beschluss zugestimmt.
Immer mehr Fälle von Affenpocken: Darauf sollen deutsche Ärzte jetzt achten
In Spanien, Portugal und weiteren Ländern sind nun weitere Fälle von Affenpocken beim Menschen aufgetreten. Die Krankheit verläuft meist milde. Das RKI mahnt auch Ärzte in Deutschland zu Wachsamkeit.
Nicht alles wird teurer: Diese Lebensmittel sind günstiger als vor einem Jahr
Viele Dinge werden gerade teurer. Doch einige Lebensmittel sind tatsächlich günstiger, als etwa vor einem Jahr.
Trips mit 9-Euro-Ticket: So weit kannst du von München aus mit Regionalzügen reisen
Von Juni bis August können Fahrgäste bundesweit für nur 9 Euro pro Monat im Nah- und Regionalverkehr in der zweiten Klasse fahren. Hiermit will die Bundesregierung öffentliche Verkehrsmittel attraktiver machen.
Zensus 2022 beginnt: So erkennst du Betrüger vor der Tür
Der Zensus 2022 startet heute – in Bayern werden zigtausend Menschen befragt. Wie du Betrüger sofort erkennst, erfährst du hier.
Alle Beiträge aus Deutschland Welt